Bearbeiten von „Platz des unbekannten Deserteurs“
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[[Bild:PlatzdesunbekanntenDeserteurs Schild.jpg|mini|Schild - vor Ort seit 15. Okt. 2008 bis 8. Mai 2021 (zum Vergrößern anklicken)]] | [[Bild:PlatzdesunbekanntenDeserteurs Schild.jpg|mini|Schild - vor Ort seit 15. Okt. 2008 bis 8. Mai 2021 (zum Vergrößern anklicken)]] | ||
[[Datei:Tübingen - Platz des unbekannten Deserteurs - Zusatzschild vom Mai 2021.jpg|mini|Das neue Zusatzschild seit dem 8. Mai 2021 (zum Vergrößern anklicken)]] | [[Datei:Tübingen - Platz des unbekannten Deserteurs - Zusatzschild vom Mai 2021.jpg|mini|Das neue Zusatzschild seit dem 8. Mai 2021 (zum Vergrößern anklicken)]] | ||
[[Datei:2017-boules-deserteursplatz.jpg|mini|Boulesspiel auf dem Deserteursplatz]] | [[Datei:2017-boules-deserteursplatz.jpg|mini|Boulesspiel auf dem Deserteursplatz]] | ||
[[Bild:EinweihungPlatzdes unbekanntDeserteurs2.jpg|mini|[[Oberbürgermeister]] [[Boris Palmer]] und Susa Hübel vom [[Forum Französisches Viertel]] bei der Ansprache zur Namensverleihung | [[Bild:EinweihungPlatzdes unbekanntDeserteurs2.jpg|mini|[[Oberbürgermeister]] [[Boris Palmer]] und Susa Hübel vom [[Forum Französisches Viertel]] bei der Ansprache zur Namensverleihung]] | ||
[[Bild:Platz_ohne_Namen.jpg|mini|Blick von Südwesten auf den Platz (Juli 2008)]] | [[Bild:Platz_ohne_Namen.jpg|mini|Blick von Südwesten auf den Platz (Juli 2008)]] | ||
[[Bild:Platz_des_unbekannten-Winter.jpg|mini|Blick von Südwesten (November 2010)]] | [[Bild:Platz_des_unbekannten-Winter.jpg|mini|Blick von Südwesten (November 2010)]] | ||
Der '''Platz des unbekannten Deserteurs''' liegt am östlichen Ende des [[Französisches Viertel|Französischen Viertels]]. Sein Name erinnert an das Schicksal von Deserteuren, die in der damaligen [[Kaserne]] oder im nahe gelegenen Wald kurz vor Ende des [[2. Weltkrieg]]s (nur 3 Monate und einen Tag später) erschossen wurden. Trotz intensiver Suche konnten lange keine Personennamen oder Akteneinträge zu dem Vorgang gefunden werden. Die Namen wurden am [[7. Februar]] [[2020]] veröffentlicht. Ihnen wurde auch in Rahmen einer [[Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung]] (Ende [[2. Weltkrieg]]) am [[8. Mai]] [[2020]] gedacht. Genau ein Jahr später wurde in einer kleinen Veranstaltung ein neues Zusatzschild unter dem Straßenschild mit dem Platznamen feierlich enthüllt. Es nennt nun die beiden bekannten Namen der | [[File:TuebingenFranzViertel2.jpg|mini|Blick von Nordwesten (Dezember 2007)]] | ||
Der '''Platz des unbekannten Deserteurs''' liegt am östlichen Ende des [[Französisches Viertel|Französischen Viertels]]. Sein Name erinnert an das Schicksal von Deserteuren, die in der damaligen [[Kaserne]] oder im nahe gelegenen Wald kurz vor Ende des [[2. Weltkrieg]]s (nur 3 Monate und einen Tag später) erschossen wurden. Trotz intensiver Suche konnten lange keine Personennamen oder Akteneinträge zu dem Vorgang gefunden werden. Die Namen wurden am [[7. Februar]] [[2020]] veröffentlicht. Ihnen wurde auch in Rahmen einer [[Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung]] (Ende [[2. Weltkrieg]]) am [[8. Mai]] [[2020]] gedacht. Genau ein Jahr später wurde in einer kleinen Veranstaltung ein neues Zusatzschild unter dem Straßenschild mit dem Platznamen feierlich enthüllt. Es nennt nun die beiden bekannten Namen der hingerichteten. | |||
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Laut den Sterbeurkunden die das Standesamt Tübingen auf Wunsch der Angehörigen nach [[Kriegsende]] ausgestellt hat wurden die beiden Soldaten am 7. Februar 1945 um 8.00 Uhr (Tafel) und 8.02 Uhr (Geier) in der [[Hindenburg-Kaserne]] erschossen. Sie wurden anschließend nicht auf dem für Kriegsopfer vorgesehenen [[Bergfriedhof]] bestattet sondern auf dem [[Friedhof Lustnau]]. Dies entsprach einer Verordnung der Wehrmacht, nach der hingerichtete Soldaten und Selbstmörder abseits von den anderen Soldaten zu bestatten waren. Vom [[Friedhof Lustnau]] wurden die Gebeine später auf die Heimat-Friedhöfe in Ehningen und Stockach überführt (am 23. November 1945 Gustav Tafel; [[1948]] Alfred Geier). Die Namen der beiden wurden in den Gemeinden auf den Kriegsgedenktafeln vermerkt. In Ehningen geschah dies erst nachträglich bis ca. 1965. Heute gehört in beiden Orten das namentliche Gedenken an Gustav Tafel und Alfred Geier zur öffentlichen Erinnerung an die Weltkriegstoten.<ref name="veranstaltung"></ref> | Laut den Sterbeurkunden die das Standesamt Tübingen auf Wunsch der Angehörigen nach [[Kriegsende]] ausgestellt hat wurden die beiden Soldaten am 7. Februar 1945 um 8.00 Uhr (Tafel) und 8.02 Uhr (Geier) in der [[Hindenburg-Kaserne]] erschossen. Sie wurden anschließend nicht auf dem für Kriegsopfer vorgesehenen [[Bergfriedhof]] bestattet sondern auf dem [[Friedhof Lustnau]]. Dies entsprach einer Verordnung der Wehrmacht, nach der hingerichtete Soldaten und Selbstmörder abseits von den anderen Soldaten zu bestatten waren. Vom [[Friedhof Lustnau]] wurden die Gebeine später auf die Heimat-Friedhöfe in Ehningen und Stockach überführt (am 23. November 1945 Gustav Tafel; [[1948]] Alfred Geier). Die Namen der beiden wurden in den Gemeinden auf den Kriegsgedenktafeln vermerkt. In Ehningen geschah dies erst nachträglich bis ca. 1965. Heute gehört in beiden Orten das namentliche Gedenken an Gustav Tafel und Alfred Geier zur öffentlichen Erinnerung an die Weltkriegstoten.<ref name="veranstaltung"></ref> | ||
Am 8. Mai [[2021]] wurde ein neues Zusatzschild mit den Namen der hingerichteten auf einer kleinen Veranstaltung mit Reden von Krishna Sara Helmle (Stadträtin der Fraktion AL/Grüne und Mitglied im [[Forum Französisches Viertel]]), Dagmar Waizenegger (Leiterin des städtischen Fachbereichs Kunst und Kultur) und Stadtarchivar [[Udo Rauch]] enthüllt | Am 8. Mai [[2021]] wurde ein neues Zusatzschild mit den Namen der hingerichteten auf einer kleinen Veranstaltung mit Reden von Krishna Sara Helmle (Stadträtin der Fraktion AL/Grüne und Mitglied im [[Forum Französisches Viertel]]), Dagmar Waizenegger (Leiterin des städtischen Fachbereichs Kunst und Kultur) und Stadtarchivar [[Udo Rauch]] enthüllt. | ||
== Lage == | == Lage == | ||
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und von [[Oberbürgermeister]] [[Boris Palmer]] den Namen "Platz des unbekannten Deserteurs" | und von [[Oberbürgermeister]] [[Boris Palmer]] den Namen "Platz des unbekannten Deserteurs" | ||
verliehen bekommen. Susa Hübel vom [[Forum Französisches Viertel]] hatte sich für diesen Namen eingesetzt und hielt eine Rede (hier klicken: [[Reden zur Platzbenennung am Platz des unbekannten Deserteurs am 21.10.2008|Reden im Wortlaut]]), in der sie die Gründe und das Zustandekommen des Namens-Vorschlags im Viertel erläuterte. | verliehen bekommen. Susa Hübel vom [[Forum Französisches Viertel]] hatte sich für diesen Namen eingesetzt und hielt eine Rede (hier klicken: [[Reden zur Platzbenennung am Platz des unbekannten Deserteurs am 21.10.2008|Reden im Wortlaut]]), in der sie die Gründe und das Zustandekommen des Namens-Vorschlags im Viertel erläuterte. | ||
== Blick aus der Luft == | |||
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==Reden von zur Einweihung des neuen Schilds am Platz des Unbekannten Deserteurs am 8.05.2021 (bitte nicht ändern) == | ==Reden von zur Einweihung des neuen Schilds am Platz des Unbekannten Deserteurs am 8.05.2021 (bitte nicht ändern) == | ||
[[Datei:Enthüllung neues Zusatzschild am Platz des unbekannten Deserteurs 8-05-2021.jpg|mini|Enthüllungsveranstaltung des neuen Zusatzschildes am 8.05.2021]] | [[Datei:Enthüllung neues Zusatzschild am Platz des unbekannten Deserteurs 8-05-2021.jpg|mini|Enthüllungsveranstaltung des neuen Zusatzschildes am 8.05.2021]] | ||
===Krishna Sara Helmle=== | ===Krishna Sara Helmle=== | ||
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===Udo Rauch=== | ===Udo Rauch=== | ||
{{Zitat|[der Hinrichtung von [[Eugen Bolz]] am [[23. Januar]] 1945 sollte] „Ein zweites erschütterndes Erlebnis ... bald folgen. Am Abend des 7. Februar [1945] | {{Zitat|[der Hinrichtung von [[Eugen Bolz]] am [[23. Januar]] 1945 sollte] „Ein zweites erschütterndes Erlebnis ... bald folgen. Am Abend des 7. Februar [1945] wurde dem Stadtpfarrer telefoniert, dass er am anderen Morgen einer Hinrichtung assistieren sollte. Früh um 4 Uhr fuhr er mit dem evangelischen Kollegen Schaal im offenen Pferdewagen in die Reutlinger Kaserne. Um 5 Uhr wurden die beiden Deliquenten mit Handfesseln dem Kriefsgerichtsrat vorgeführt, der ihnen eröffnete, dass ihr Gnadengesuch abgelehnt sei und dass um 8 Uhr die Hinrichtung stattfinde. Mit zitternder Hand unterschrieben sie das Todesurteil. | ||
Der eine, ein 35-jähriger evangelischer Familienvater [namens Gustav Tafel aus | Der eine, ein 35-jähriger evangelischer Familienvater [namens Gustav Tafel aus Eningen], hatte den Urlaub überschritten (wie viele tauschende hätte man da auch erschießen müssen?). Der andere war ein 21-jähriger katholischer Metzgergeselle [namens Alfred Geier aus Überlingen], der obwohl er schon das Verwundetenabzeichen trug, sich eine kleine Verstümmelung an der Hand beigebracht hatte. | ||
Dann gingen die Geistlichen mit den Verurteilten in ihre Zelle. Der evangelische Mann zitterte so sehr, dass Stadtpfarrer Schaal | Dann gingen die Geistlichen mit den Verurteilten in ihre Zelle. Der evangelische Mann zitterte so sehr, dass Stadtpfarrer Schaal nicht mit ihm anfangen konnte und schließlich zu den Offizieren ging, um das angebotene Frühstück einzunehmen. | ||
Ich hatte genügend Zeit um mit meinem Schützling zu reden und ihm die heiligen Sakramente zu spenden. Auf meinen Rat nahm er | Ich hatte genügend Zeit um mit meinem Schützling zu reden und ihm die heiligen Sakramente zu spenden. Auf meinen Rat nahm er das Frühstück (das er aber repitieren lies) und Zigaretten an. Solange ich ihn allein. | ||
Dann kam der traurige Gang. Ein zu Gefängnis verurteilter Soldat musste der Hinrichtung zusehen. Es | Dann kam der traurige Gang. Ein zu Gefängnis verurteilter Soldat musste der Hinrichtung zusehen. Es sollte aber - wie ich erfuhr - der Wald neben den Schießständen voll von Zuschauern, meist Zivilarbeitern gewesen sein. Wir durften nach Verlesung des Urteils noch einmal mit den beiden sprechen, was ich zur nochmaligen Absolution und zu Gebet benutzte. Dann war alles rasch vorbei. | ||
Der leitende Kriegsrat muss wohl | Der leitende Kriegsrat muss wohl unseren Mienen einiges abgelesen haben. Er sagte zu mir, dass mein Kollege in Belgien wohl tausende Partisanen zum Tod vorbereiten musste und bei dem jetzigen Defätismus müsse man abschreckend wirken. Ich antwortete ihm, dass unter allen Umständen die Strafe dem Delikt entsprechen müsse. Am meisten erschüttert zeigte sich der assistierende Truppenarzt. | ||
Ich war ... nüchtern geblieben, um noch zelebrieren zu können, war aber um 9 Uhr nicht mehr dazu imstande. | Ich war ... nüchtern geblieben, um noch zelebrieren zu können, war aber um 9 Uhr nicht mehr dazu imstande. Au der Heimfahrt sagte der evangelische Kollege: "und dabei wirkt es nicht einmal mehr abschreckend!" | ||
Es waren noch sieben andere zum Tod verurteilte in der Kaserne. Wir warteten täglich auf den Telefonanruf. Es erfolgte aber nichts. Wahrscheinlich haben die Herren es sich doch noch anders überlegt - vor allem aus Selbsterhaltungstrieb im Blick auf den nahendem Zusammenbruch.“ | Es waren noch sieben andere zum Tod verurteilte in der Kaserne. Wir warteten täglich auf den Telefonanruf. Es erfolgte aber nichts. Wahrscheinlich haben die Herren es sich doch noch anders überlegt - vor allem aus Selbsterhaltungstrieb im Blick auf den nahendem Zusammenbruch.“ | ||
|Handschriftliches Manuskript in der Pfarrchronik St. Johannes, in weiten Teilen von Pfarrer Karl Weikmann, vorgelesen von Udo Rauch}} | |||
|Handschriftliches Manuskript in der Pfarrchronik St. Johannes, | |||
==Quellen== | ==Quellen== |