Gabriele Steffen 2022 beim Tagblatt-Gespräch (Foto: Ulrich Metz)[1]

Gabriele Steffen (* 1951 in Esslingen) ist Urbanistin und seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik in Tübingen aktiv, unter anderem 8 Jahre als Erste Bürgermeisterin in den 1990er Jahren. Sie befasst sich mit Stadtforschung und der praktischen Frage, wie man Städte und Quartiere möglichst gut, alltagstauglich, vielfältig, inklusiv gestaltet und wie man im demokratischen Gemeinwesen dafür Partner und Mehrheiten in der Bürgerschaft gewinnt. Ihr Einsatz zeigt sich im Stadtraum besonders in Tübingen, wo sie viele Prozesse angestoßen, mitgetragen und Ideen umgesetzt hat, aber auch in zahlreichen Publikationen, die ihre Erkenntnisse zugänglich machen und Erfahrungen reflektieren.

Werdegang

Gabriele Steffen hat nach ihrem Studium (Germanistik, Romanistik, Philosophie und Pädagogik u.a. in Stuttgart und Dijon) von 1978 -1990 am Deutschen Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (DIFF) internationale und interkulturelle Projekte zu Migration und Integration geleitet. Sie hat sich vor Ort für türkische Familien engagiert, war seit Gründung 1979 Mitglied der Alternativen Liste und von 1984 bis 1989 Mitglied des Kreistags (mit den Grünen). Von 1990 bis 1998 war sie Erste Bürgermeisterin in Tübingen, als erste Frau in der Tübinger Verwaltungsspitze und erste von Grünen/Alternative Liste in einem solchen Amt. Von 2000 bis 2019 wirkte sie als Geschäftsführerin beim Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Weeber + Partner in Stuttgart/Berlin. Seit Ende 2019 ist sie freiberuflich tätig und engagiert sich verstärkt bürgerschaftlich - mit dem Fokus auf der Weststadt, wo sie auch wohnt.

Wirken als Erste Bürgermeisterin

Als Erste Bürgermeisterin war sie zuständig für das Ordnungs- und das Standesamt, Kultur, Schule und Sport, Soziales, den Eigenbetrieb Altenhilfe und das Veterinäramt, zudem ständige allgemeine Stellvertreterin des Oberbürgermeisters. Darüber hinaus war sie u.a. Mitglied und stv. Vorsitzende im Sozialausschuss im Städtetag Baden-Württemberg und Mitglied im Frauen- und Gleichstellungsausschuss des Deutschen Städtetags. Gabriele Steffen vertrat schon früh den Ansatz, dass viele Faktoren gemeinsam auf das städtische Leben Einfluss nehmen und daher Stadtentwicklung sinnvoll nur aus einer fachübergreifenden Perspektive vorangebracht werden kann, lange bevor integrierte Konzepte und Herangehensweisen in der Stadtplanung sich verbreitet haben. Dazu gehörte auch die Verzahnung ihrer Geschäftsbereiche mit dem Städtebau. Bei der Konversion der Militärareale nach dem Abzug der französischen Garnison in der Tübinger Südstadt – eine mittlerweile vielfach preisgekrönte Pionierleistung – arbeitete sie eng mit Andreas Feldtkeller, dem Leiter des Stadtsanierungsamts, zusammen. Leitgedanke war die kleinteilig nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege, die möglichst weitgehend von den Menschen im Quartier entwickelt und gebaut wird, ein öffentlicher Raum, der nicht vorrangig dem Autoverkehr dient, und die Zivilisierung von Militärarealen durch Verbindung von Alt und Neu. Gleichzeitig die verschiedenen Facetten des städtischen Lebens mitzubedenken, lässt den integrativen, kommunikativen Mehrwert der Nutzungen maximal wirksam werden. So schafft man Quartiere, in denen Vieles und Viele zueinander in Beziehung stehen. Z.B. hat Gabriele Steffen das Thema Internet/Digitalisierung schon früh aufgegriffen und in der Südstadt mit einem Multimedia-Innovationszentrum umgesetzt, im TRZ (Schul- und Tanzsportzentrum) Loretto wurde das Potenzial von Vereinen für die Allgemeinheit ausgeschöpft, mit einem Polizeiposten mittendrin das Sicherheitsempfinden gestärkt, mit der Schule im Quartier als Kristallisationspunkt und der Ansiedlung der vhs in der ehemaligen Kaserne der Lernende Stadtteil begünstigt, mit Carsharing, Buslinien von Anfang an die Anbindung nachhaltig gestaltet. Auch außerhalb der Südstadt ist z.B mit dem Umbau des Bürgerheims mitten in der Altstadt die Verknüpfung von Nutzungen gelungen. Besonderes Anliegen waren ihr, Eigeninitiative in der Stadtgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement anzustoßen und zu ermöglichen, wie es sich in der Südstadt in den Baugemeinschaften zeigt, und zwischen konfligierenden Interessen zu vermitteln, z.B. bei den damals neuen Wagenburgen. Der Umgang mit Hausbesetzungen sowie mit Konflikten im öffentlichen Raum (z.B. mit Punks, Drogenkonsum im Botanischen Garten) gehörte wie auch die Unterbringung einer großen Anzahl von Geflüchteten, vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien, zu den besonderen Herausforderungen in ihrer Zeit als Bürgermeisterin.

Forschung und Beratung bei Weeber + Partner und freiberuflich

Im Institut für Stadtplanung und Sozialforschung Weeber+Partner war sie Geschäftsführerin und leitete zahlreiche Forschungs-, Planungs- und Beteiligungsprojekte, vor allem für öffentliche Auftraggeber: Bundes- und Landesministerien, Kommunen, Stiftungen, Verbände, meist mit dem Schwerpunkt fachübergreifende Stadt- und Quartiersentwicklung. Beispiele sind das Forschungsprojekt Integration und Nutzungsvielfalt im Stadtquartier (auch am Beispiel der Tübinger Südstadt) im Verbundprojekt EVALO, Entwicklung von Anpassungsfähigkeit für lebendige Orte für das Bundesbildungsministerium; Studien zum demografischen Wandel, z.B. Attraktive Wohnquartiere für das Leben im Alter und zur Inklusion Wohnen mit Assistenz jeweils für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung; mehrere Projekte Inklusive Quartiere für den Städtetag Baden-Württemberg; Studien zur lokalen Ökonomie und Nahversorgung z.B. für die Region Stuttgart und die Stadt Stuttgart; zahlreiche Vorbereitende Untersuchungen, Stadtentwicklungskonzepte, wissenschaftliche Begleitungen und Evaluationen, Steuerung von Quartiersmanagements im Rahmen der städtebaulichen Förderprogramme “Die soziale Stadt”. Freiberuflich arbeitete sie u.a. an einem Standortkonzept für einen großen Träger der Behindertenhilfe, quartiersbezogenen Mobilitätskonzepten für ein Wohnungsunternehmen, Beratung zum Konversionsprojekt FRANKLIN in Mannheim, am europäischen Projekt Cooper’actif: Habiter ensemble autrement demain - kooperatives Planen, Bauen, Leben. Ihre zahlreichen Publikationen und Vorträge beziehen sich u.a. auf Quartiersentwicklung, Inklusion, Mobilität, Bildung, informelles Lernen/Bürgerlernen, Klimawandel und Klimaanpassung.

Gegenwärtiges (2020er Jahre) Bürgerschaftliches Engagement und Kommunalpolitik (Auswahl)

In Tübingen: Mitglied des Ortsbeirat West (seit 2014), der Bürgerinitiative Weststadt, der Alternativen und Grünen Liste Tübingen (seit Gründung), des AK Leben, im Verein der Freunde des Institut Culturel Franco-Allemand (Vorstand), des Werkstadthaus - Verein für Eigenarbeit e.V., des Freundeskreis Pro Uhlandbad, Genossenschaftsmitglied beim Löwenladen und bei Teilauto (Aufsichtsrat 2015-24). Auf Landes- und Bundesebene: SRL Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V. Sprecherin Baden-Württemberg 2000-06, Arbeitskreise zu Soziale Stadt/Stadtentwicklung und Mobilität, Mitarbeit am Landeskonzept Mobilität und Klima (LMK) des Landes B-W (Verbändebeteiligung), im Beirat der Allianz Mobilitätswende für Baden-Württemberg

Neuere Veröffentlichungen (Beispiele)

  • Steffen, Gabriele u.a. (2021): Cooper’actif: Habiter ensemble autrement demain -guide, itinéraires culturel etc. (Koautorin) https://habitat-cooperactif.eu/guide-aap
  • Steffen, Gabriele und Andreas Feldtkeller: Schwerter zu Pflugscharen – studentisches Wohnen im Französischen Viertel. In: Studierendenwerk Tübingen - Hohenheim, Rudolf Pörtner (Hrsg.): punkt 100. Ein Jahrhundert Studierendenwerk. Festschrift. Tübingen 2021, S. 84 -90
  • Steffen, Gabriele, Simone Gretsch, Carolin Löffler / Weeber+Partner (2020): Wohnen und Elektromobilität in Stuttgart-Rosenstein. Evaluation des Mobilitätskonzepts. Endbericht. Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau im Rahmen des Forschungsprojekts Schaufenster Elektromobilität – LivingLab BWemobil. Stuttgart/Berlin. PDF-Version online (Abruf 1.2.24)
  • Steffen, Gabriele (2018): Französisches Viertel: Die ersten fünf Jahre. Aus der Werkstatt der integrierten Stadtentwicklung. In: Stadtmuseum Tübingen: Am Rand wird's interessant. Anders wohnen im Tübinger Süden. Französisches Viertel, Wennfelder Garten, Wagenburgen. Tübingen. Herausgegeben von Guido Szymanska, Daniela Übelhör, Wiebke Ratzeburg, S. 29-39
  • Gabriele Steffen (o.J. /2018): Fachberatung des Projekts Inklusive Quartiere:; Zusammenfassung, Impuls, Qualitätskriterien für lebenswerte Stadtquartiere. In: Städtetag Baden-Württemberg: Inklusive Quartiere. Erkenntnisse und kommunale Beispiele aus der Praxis für die Praxis. S.74-77
  • Steffen, Gabriele, Ulrich Otto (2017): Unterschiedliche Stadtquartiere und Quartierstypen – wie eignen sie sich für heutiges und künftiges Älterwerden? In: Heidi Sinning (Hrsg.): Altersgerecht wohnen und leben im Quartier. Trends, Anforderungen und Modelle für Stadtplanung und Wohnungswirtschaft. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S. 53-70
  • Steffen, Gabriele, Carolin Schork: Gutachten: Mobilitätsbedürfnisse künftiger Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Rosensteinquartiers Stuttgart. Weeber+Partner, Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau Stuttgart 2013. U.a. veröffentlicht in: Wohnen und Elektromobilität in Stuttgart-Rosenstein. Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau im Rahmen des Forschungsprojekts Schaufenster Elektromobilität – LivingLab BWemobil. Weeber+Partner. Veröffentlichungsbericht, Anlage, Stuttgart 2017. https://www.siedlungswerk.de/sites/default/files/seite-anhang/13625-6682-13625-veroeffentlichungsbericht-anlagen-web.pdf (Abruf 1.1.24)
  • Steffen, Gabriele, Philip Klein, Lisa Abele, Ulrich Otto: Älter werden in München (2015). Weeber+Partner, im Auftrag der Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung, Stadtentwicklungsplanung, /Sozialreferat, Amt für soziale Sicherung, Förderung mit Zuschüssen des Landes für modellhafte städtebauliche Planungen und Forschungen durch die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Langfassung. dto. Kurzfassung
  • Steffen, Gabriele: Soziales und Stadtkultur. Wie inklusiv ist das Französische Viertel? In: Französisches Viertel Tübingen. Redaktion Armin Scharf, Matthias Gütschow, Stadt im Wandel Nr. 15 (2015), Stadtwandel Verlag Regensburg, S. 19-22
  • Steffen, Gabriele, Antje Fritz, Lisa Abele: 50 plus: Älterwerden in Ludwigsburg. Gesundheit auf neue Weise zum Thema machen – den demografischen Wandel im Quartier gestalten. Im Auftrag der Stadt Ludwigsburg. Weeber+Partner, Stuttgart 2015
  • Steffen, Gabriele: Gesundheitsförderung in der Gemeinde- und Stadtentwicklung. Faktenblatt zur Kommunalen Gesundheitsförderung. Landesgesundheitsamt /Ministerium für Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren /Landesgesundheitsamt Stuttgart, 2015 https://www.gesundheitsamt-bw.de/fileadmin/LGA/_DocumentLibraries/SiteCollectionDocuments/01_Themen/Gesundheitsfoerderung/Gesund_aufwachsen_und_leben/Faktenblatt_KommGF_Themenblatt_1.pdf (Abruf 4.2.24)

Quellen und Weblinks